Wer eine Wohnung sucht, kann was erleben. Es gibt Höhen und Tiefen. Und es kann länger dauern als man denkt. Erfahrungen und Beobachtungen aus einer deutschen Großstadt.

Freitagnachmittag. In einer guten Viertelstunde startet die Wohnungsbesichtigung. Guten Mutes schließe ich mein Fahrrad an. Die Wohnung in der App sah gut aus. Die Lage unglaublich zentral. Nicht weit in die Stadtmitte, der Arbeitsweg ist händelbar. Und vor allem: Ich gehöre zu den wenigen Glücklichen, die eine Einladung zur Besichtigung bekommen haben. Denke ich.

Ein kleiner Plastik-Post-it (so einer, wie man ihn zur Markierung von Seiten in Büchern gerne benutzt), per Hand beschriftet mit dem Wort „Besichtigung“, ist am Klingelbrett angebracht. Aber alles kein Problem: Die Tür aber ist schon auf. Super! Also hinauf.

Makler-Shows mit Macht-Worten

Doch die Ernüchterung kommt spätestens an den letzten Stufen zum zweiten Obergeschoss, wo sich die Wohnung befindet. Denn hier endet bereits die Schlange derjenigen, die sich die Wohnung gerne anschauen wollen. Alles klar. Also Einreihen. Mal schauen, wie es weitergeht.

Um kurz vor 17 Uhr kommt dann der Makler: Business-Anzug, Zurückgegeelte Haare. Erst verschwindet er kurz in der Wohnung. Man hört, wie er Zettel verteilt. Dann bittet er hinein. Also ströme auch ich mit der Masse mit hinein. Aufstellen. Positionieren. Alle Blicke richten sich auf den Makler, der jetzt seine Show beginnt.

„Nehmt Euch die Zettel. Füllt sie aus. Schickt mir sie bis Morgennachmittag“, ruft er – um dann sein Machtwort zu vollenden: „Ich rufe nur einen von Euch an. Wenn ihr nichts hört, dann seid ihr raus.“

Apps statt Inserate

Von der Massenbesichtigung bis zur zuvorkommenden Einzel-Runde – bei meiner Wohnungssuche in Hamburg habe ich wirklich fast alles von dem erlebt, was das Finden einer Unterkunft in Deutschland im Moment so schwierig macht.

Es fängt ja schon mit der Suche an. Inserate in Zeitungen sind schon lange „Out“. Deshalb geht ohne die bekannten Online-Plattformen und ihre Apps gar nichts mehr bei der Wohnungssuche. Nicht nur, dass für den Zugang eine am besten ein leistungsfähiges Smartphone inklusive Dauer-Internetverbindung erforderlich ist.

Durch die Apps ist die Wohnungssuche eher zu einem Glücksspiel verkommen. Nur wer – wie ein Süchtiger am Einarmigen Banditen oder im Online-Spiel – ständig die App bedient und sucht, hat überhaupt die Chance, in den engeren Pool derjenigen zu kommen, die überhaupt die Chance haben, für eine Einladung zur Wohnungsbesichtigung zu erhalten.

Premium-Preise für bessere Erfolgs-Chancen

Und da fängt die Ungleichheit auch schon an: Am Anfang habe ich mein Glück mit den Gratis-Versionen der App versucht. Einladungen – Fehlanzeige. Auf 20 Bewerbungen, vielleicht eine Einladung. Also doch die teurere Bezahlversion nutzen? Hier verspricht das App-Marketing immerhin „ganz oben in den Postfächern“ zu landen.

Also zahle ich die teure Monatsgebühr – und siehe da: Auf einmal kommen wirklich mehr Einladungen zu Wohnungsbesichtigungen. Aber auch nur, wenn ich die Bewerbungsintensität hoch halte. Der Ablauf – immer gleich: Zwischendurch App öffnen, durchscrollen, meinen Bewerbungstext leicht abwandeln und Abschicken. Pro Tag bestimmt 30 Mal.

Das Traurige: Nichts ist mehr persönlich im Vorfeld. Anrufmöglichkeiten – in der App kaum vorhanden. Wenn man dann doch mal beim Dienstleister anruft: Warteschleifen oder Anrufbeantworter. Einmal bin ich sogar bei einer Hausverwaltungsgesellschaft vorbeigegangen. Die arme Rezeptionistin erklärte mir: „Die Auswahl macht die Online-KI. Darauf habe ich gar keinen Einfluss mehr. Der Andrang ist seit zwei Jahren so groß, das würden wir nicht mehr schaffen.“

Hochgefühle wie beim Glücksspiel

Also spiele ich das Spiel weiter. Und wie beim Glücksspiel steigt das Hochgefühl mit jeder Wohnungsbesichtigung, zu der man eingeladen ist. Die Hoffnung treibt an. Wenn dann das Gespräch gut war und man die Unterlagen (inklusive sämtlicher finanzamt-relevanter Unterlagen – hoffentlich stimmt die Datenschutzverarbeitung) hochgeladen hat, kommt dann das bange Warten. Bis zur … Absage. Oh nein. Mal wieder. Liegt es an mir? Was habe ich falsch gemacht?

Besonders dieses Auf und Ab, diese Gefühlsachterbahn ist das, was einen bei der Wohnungssuche besonders fertig macht. Eine Zeit lang kamen kaum Besichtigungseinladungen. Da zweifelte man wirklich. Ist es der falsche Bewerbungstext? Entspreche ich jetzt schon mit meinem Vollzeitjob nicht den Anforderungen?

Eine weitere Herausforderung bei der Wohnungssuche: Die Kurzfristigkeit der Bewerbungen. Oft habe ich Schichten getauscht oder einfach nur die Termine angenommen, zu denen ich dank des Schichtdienstes tatsächlich gehen konnte. Meist habe ich mich gefragt: Wie machen das eigentlich andere – diejenigen, die nur einen Nine-to-Five-Job haben oder einen Job, den sie nicht einfach mal umlegen können?

Inflation wird beim Suchen sichtbar

Sieben Monate habe ich insgesamt aktiv gesucht. Viel länger als ich bisher je in einer anderen Großstadt gebraucht habe. Und in diesen sechs Monaten konnte ich zudem beobachten, wie die Inflation zuschlug. Konnte ich zu Beginn noch mit Preisen bis 950 Euro zahlreiche ansprechende Wohnungen in den Apps finden, war es ab der Hälfte der Zeit erst ab 1100 Euro so. Die nächste Sache, die die Wohnungssuche in deutschen Großstädten zur Herausforderung für viele macht.

Denn die Menschen bei den Besichtigungen kamen oftmals immer in der folgenden, ähnlichen Konstellationen: Da waren die zwei Studierenden. Da waren die drei Vollzeitarbeitenden mit gutem Gehalt. Da waren die Pärchen – meist jung und hübsch. Da waren die Kiddies, die durch ihre Eltern begleitetet worden. Und oft auch einige Menschen mit Migrationsgeschichte, die es oft noch schwerer als alle anderen haben, eine Wohnung zu finden.

Hinterher habe ich mich oft gefragt – wie stehen wohl unser aller Chancen. Wo man doch weiß, dass Vermieter möglichst ruhige, kinderlose, wohlhabende Singles im gesetzteren Alter bevorzugen?

Am Ende habe ich Glück gehabt. Per Zufall, an der Supermarktkasse scrollte ich durch die App. Diesmal konnte ich sogar anrufen. Ich kam durch. Führte ein nettes Gespräch. Wurde zur Besichtigung eingeladen. Kurzfristig – ja. Aber es klappte. Und am Ende bekam ich die Wohnung. Mein Sechser im Lotto in diesem Jahr. Vielleicht sogar besser als das. Ein neues Zuhause.