Weniger Aussteller, neue Formate, mehr Protest –die 68. Internationale Automobilausstellung (IAA) startet in Frankfurt. Wie die Autobranche ist die Messe im Umbruch. Experten sagen: Zum Überleben muss sie sich wandeln.

Wenn es nach Bernhard Mattes geht, dann ist die 68. Internationalen Automobilausstellung (IAA) ungebrochen wichtig: „Die IAA ist der international wichtigste Leitevent der Mobilität der Zukunft“, so der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) bei der Auftaktpressekonferenz.

Doch die Relevanz der 68. Ausgabe der Auto-Messe, die der VDA heute unter dem Leitmotiv „Driving Tomorrow“ in Frankfurt startet, steht in Frage – beim umweltsensiblen Publikum, bei kritischen Branchen-Experten und selbst bei den im Umbruch befindlichen Auto-Herstellern.

Ausstellerzahl sinkt deutlich

Würde man allein die Namen, die Anzahl und die Standgrößen der Aussteller als Gradmesser für die Bedeutung der diesjährigen IAA heranziehen, könnte man von einer mittleren IAA-Krise sprechen: Während bei der Vorgängerausstellung im Jahr 2017 noch 1000 Aussteller aus 39 Ländern über 363 Neuheiten präsentierten, ist die die Zahl der Aussteller in diesem Jahr deutlich zurückgegangen. Nur noch 800 Aussteller sehen die IAA als passende Präsentationsfläche für ihre Innovationen.

Die Liste der Absagen ist lang: Mehr als 30 bekannte Namen fehlen. Darunter alle Japaner bis auf Honda, die US-Hersteller mit Tesla, die führenden Anbieter aus Frankreich und Italien sowie diverse Luxushersteller. Neben einigen internationalen Playern wie Hyundai aus Südkorea oder Landrover aus Großbritannien sind die deutschen Hersteller also fast unter sich. Und kommen dabei auch noch mit weniger Platz aus: Die Ausstellungsfläche ist im Vergleich zu 2017 um 16 Prozent auf 168.000 Quadratmeter geschrumpft.

Neue Formate für Mobilitätserfahrungen

Ein Trend, dem die IAA-Macher mit neuen Formaten gegensteuern wollen. Diskussionen mit Auto-Protestlern, Testfahrten auf dem Gelände, Karrieretipps für junge Absolventen – all das soll die IAA zur ansprechenden Austauschplattform über die Mobilität der Zukunft machen. Oder wie es VDA-Chef Mattes beschreibt: „Es geht darum, Mobilität mit allen Sinnen zu erleben: sie zu sehen, sie zu erfahren und darüber zu diskutiert.“

Alles erinnert ein wenig an das letzte Jahr der CeBiT. Die einstmals weltgrößten Computer-Messe in Hannover kämpfte schon lange mit sinkenden Aussteller- und Besucherzahlen. Da beschlossen die Macher 2018 den Abwärtstrend mit einem Dreiklang aus Messe, Konferenz und Festival zu stoppen. Doch daraus wurde nichts. Die Flächenbuchungen gingen weiter zurück. Eine Fortsetzung gab es 2019 nicht mehr. Doch droht der IAA  nun ein ähnliches Schicksal?

CeBit scheiterte am mangelnden Erlebnis

„Tatsächlich geht es bei der IAA wie auch damals bei der CeBit um die Positionierung“, sagt Martin P. Fritze. Laut des Junior-Professors für Messewirtschaft an der Universität Köln, haben sich die Erwartungen an eine Messe in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. „Es geht heute um das Erleben, nicht mehr um die reine Leistungsschau. Diesen Sprung hat die CeBiT damals nicht geschafft.“

Um dem CeBiT-Schicksal zu entgehen, müsste sich die IAA bei der Positionierung noch stärker an Alternativ-Veranstaltungen mit Eventcharakter orientieren, sagt Fritze. Zum Beispiel an der South by Southwest in Austin, Texas – einer Art jährlichem Festival,  das Technikschau und Musik-Event  verbindet. „Die Ansätze sind da bei der diesjährigen IAA“, sagt der Messe-Experte über das neue Konzept. Aber: „Es wird nicht reichen, das nur in wenigen Hallen zu machen. Außerdem darf das Konzept dann nicht jedes Jahr geändert werden.“

Keine Krise des Messestandorts Deutschland

Von der IAA-Krise lässt sich übrigens nicht auf eine Krise des Messestandorts Deutschland schließen, sagt Harald Kötter vom Verband der deutschen Messewirtschaft. „In Deutschland findet mehr als die Hälfte aller wichtigen Messen der Welt statt. Dazu zählen nicht nur die Publikumsmessen, sondern vor allem die großen Industriemessen wie die Verpackungsmesse Interpak in Düsseldorf oder die flächenmäßig größte Messe der Welt, die Baumaschinen-Messe BAUMA in München.“

Er ist sich sicher: Auch in Zukunft wird es Messen wie die IAA brauchen. „Über ein Produkt diskutieren, es testen, kritische Fragen stellen – das ist sehr wichtig. Das kann man nicht vom Schreibtisch aus machen.“ Und so könnte es also sein, dass der VDA am Ende mit dem richtigen Mix aus Diskussionen, Erlebnissen und Innovationen die Deutsche Messe AG davon überzeugen kann, den in diesem Jahr auslaufenden Messe-Vertrag für die IAA zu verlängern und so dem CeBiT-Schicksal zu entgehen.

Mein Artikel zu diesem Thema erschien zum Start der Internationalen Automobilausstellung auf tagesschau.de.