Wären die Zinsen nicht so niedrig, hätten die Deutschen noch Spaß am Sparen und könnten ihre Lebensversicherungen behalten. Doch: Wieviel haben die Dauer-Nullzinsen der EZB die deutschen Sparer bisher gekostet? Und was tun, wenn es so unter Christine Lagarde weitergeht?

Markus Gründer aus Braunschweig-Rautheim ist ein typischer deutscher Sparer. Haus, Hof und Grill leistet sich der Immobilienwirt aus Prinzip nicht auf Pump. Das Geld fürs Hab und Gut spart er sich lieber zusammen. Pro Jahr legt er gut 15.000 Euro zur Seite – für den Urlaub, fürs Auto und fürs Haus. Auf Konten bei verschiedenen Banken, zu möglichst hohen Zinsen. So konnte sich das Geld früher ganz leicht vermehren.

Der Sparspaß ist vorbei

Dass der Sparspaß für Markus Gründer vorbei ist, liegt vor allem an der Europäischen Zentralbank. Nach der Finanzkrise 2008 senkte sie  den fürs Sparen relevanten Leitzins von 3,25 Prozent auf historische Tiefststände. Besonders stark unter Mario Draghi. Nimmt man den Leitzins von 2008 als Referenz, dann bedeutet das: Markus Gründer entgehen bei seineem aktuellen Zinssatz mittlerweile über 460 Euro pro Jahr an Erträgen. Und damit ist er nicht allein.

Die DZ-Bank hat für plusminus nachgerechnet, wie viele Zinseinnahmen die Deutschen unter Mario Draghi verloren haben. Die Zahlen zeigen: Zwischen 2011 und 2019 sind den Deutschen insgesamt mehr als 570 Milliarden Euro an Zinseinnahmen entgangen, davon 289 Milliarden Euro allein auf dem Bankkonto.„Die Niedrigzinsphase in Deutschland hat einen großen Verlierer, und das ist der deutsche Sparer“, sagt Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt bei der DZ-Bank. „Weil der natürlich in der Vergangenheit sehr stark zinslastig angelegt hat.“

Darin erkennt sich auch Markus Gründer aus Braunschweig wieder: „Wenn ich so sehe, was das für ein Verlust ist. Ja, das ist nicht nur Spaß. Na, das ist ja auch wirklich Geld. Das fehlt bei der Einsparung, das muss man ganz klar sehen.“

Auch Lebensversicherungen sind betroffen

Aber es sind auch alle betroffen, die eine dynamische Lebensversicherung abgeschlossen hatten. So wie Mark Mauer. Anfang der 2000er Jahre hat der Ingenieur und Hobbyläufer ein Eigenheim für seine damals noch junge Familie gebaut. Erträge von 3 bis 5 Prozent im Jahr – die Erfolgsaussichten waren ziemlich gut. Doch mit den sinkenden Zinsen sank auch schleichend die Rendite.

„2018 und 2019 habe ich gesehen, dass halt die Rendite nur noch 0,9 Prozent sei hier die fixe zugesicherte Rendite“, sagt Mark Mauer. „Und dann hab ich halt nun genau hingeguckt und habe gesehen, dass meine eingezahlten Beiträge höher waren als der Anstieg der Versicherungssumme nach einem Jahr.“

2018 gab es in Deutschland 83 Mio. Lebensversicherungen. Alle Lebensversicherungen zusammen haben laut unserer Rechnung in den Jahren unter Mario Draghi wegen der Niedrigzinsen 197 Mrd. Euro an Zinsvermögen eingebüßt. Erneut DZ-Bank-Chefvolkswirt Stefan Bielmeier: „Die Altersvorsorge in Deutschland basiert der hauptsächlich auf Zinseszinseffekte. Diese fallen jetzt komplett weg und werden sie natürlich in ein paar Jahren entsprechend negativ in der Altersvorsorge bemerkbar.“

Der Kapitalmarkt als Ausweg

Weil es voraussichtlich auch unter der neuen EZB-Chefin Lagarde mit den Niedrigzinsen weitergeht, raten Finanz- und Verbraucherexperten wie Katharina Lawrence von der Verbraucherzentrale Hessen dazu, je nach Risikoneigung auch andere Investments zu wagen. Risikoscheue Anleger können zum Beispiel weiter nach klassischen Anlagen wie Tagesgeld oder Festgeld suchen – einige Banken bieten noch ein paar magere Zinsen.

Für eine bessere Rendite müsse man sich aber schon an den Kapitalmarkt wagen: einzelne Wertpapiere kaufen – oder eben gemangte Fonds bzw.  ETFs. „Wer Risikofähig ist, sollte trotzdem nicht übereilt auf den Kapitalmarkt gehen, sondern sich genau überlegen welches Wertpapier kommt für mich in Frage? Wie breit streue ich meine Anlage?“, rät die Verbraucherexpertin.

Mein Beitrag zu diesem Thema wurde am 27.11.2019 um 21:45 Uhr bei plusminus im Ersten gesendet.