Einst war sie der schnellste Weg nach Norden: die glanzvolle Vogelfluglinie. Doch im Dezember 2019 ist Schluss mit den Zügen im Bauch der Fähren zwischen Deutschland und Dänemark. Eine Abschiedsfahrt.

Unter mir die Tiefen des Meeres. Über mir die Höhen des Himmels. Vor mir die Weiten des Horizonts. Es ist ein herrliches „Dazwischen“, hier mitten auf der Ostsee. Ich stehe an der Reling der „Prinsesse Benedikte“. Die Hybrid-Fähre hat vor einigen Minuten den Hafen von Puttgarden auf Fehmarn verlassen. Schon längst sind das Fährterminal mit den nun hochgeklappten Zufahrtsbrücken, die Hafeneinfahrt und die Insel Fehrmarn mit dem markanten Fernsehturm kleiner geworden.

Großer Nutzen und Erfolg für den Personen- und Güterverkehr

„Der kürzeste Weg nach Norden“ – unter diesem Motto waren die damalige Deutsche Bundesbahn und die Dänische Staatsbahn 1963 nach mehreren zuvor an den beiden Weltkriegen gescheiterten Versuchen am Fehmarnbelt angetreten, um die Fahrgäste der Bahn möglichst schnell von Skandinavien aufs Europäische Festland und zurück zu bringen.

Der Nutzen und der Erfolg waren enorm. Wurden doch nicht nur Tages- und Nachtzüge auf langlaufenden Verbindungen wie von der Schweiz und Italien nach Dänemark und Schweden möglich. Vor allem auch in der Nacht wurden per Schiff unzählige Güterwagen über den Fehmarnbelt transportiert.

Doch diese glorreichen Zeiten sind längst vorbei. Der Gütertrajekt wurde mit Inbetriebnahme der festen Beltquerung Ende der 1990er Jahre eingestellt. Und auch die langen, weitfahrenden Züge nach ganz Europa gibt es nicht mehr.

Zum Schluss nur noch drei Eurocity-Züge

Der Fahrplan 2019 zählt nur noch drei Eurocity-Zugpaar von Hamburg nach Kopenhagen. Und selbst die fahren wegen Baustellen auf der dänischen Seite zeitweise schon gar nicht mehr durch bis nach Kopenhagen. Heute (am 29.09.2019) ist aber alles wieder normal. Mit einem zuckelnden Brummen fährt der IC3-Dieseltriebwagen der Dänischen Staatsbahn im Hamburger Hauptbahnhof los.

Vorbei geht es an Backsteinbauten und Industrieanlagen hinaus aus der Hansestadt. Erste Station nach kurzer Fahrt: Lübeck Hauptbahnhof. Dann geht es weiter: grüne Felder, grasende Schafe, eingleisige Strecke – echte Nebenbahnatmosphäre. Nach einem kurzen Stopp in Oldenburg in Holstein fährt der Zug weiter und passiert das deutsche Wahrzeichen der Vogelfluglinie: Die Fehmarnsundbrücke – eine langezogene Brücke mit zwei Fahrspuren für den Autoverkehr und einem Eisenbahngleis, die wegen ihrer zwei markanten Brückenbögen auch „Kleiderbügel“ genannt wird.

Abschied von einer reizvollen Strecke

Rechts der Blick auf den Fehmarnsund, die Meerenge zwischen der Insel Fehmarn und dem Festland. Links der Blick auf die weite Ostsee. Ein wunderschöner Anblick, der im europäischen Eisenbahnverkehr doch irgendwie einzigartig ist. Doch die grün bewachsenen, nicht mehr genutzten Eisenbahnanlagen und Bahnsteige zeigen im Fährbahnhof von Puttgarden: Damit ist es bald vorbei. Denn schon zum Fahrplanwechsel 2019/20 sollen die Züge nicht mehr mit der Fähre nach Dänemark fahren. Sondern über das Festland via Flensburg.

Ein Vorspiel für die langfristig geplante feste Fehmarnbeltquerung mit einem Tunnel. Dessen Bau ist schon seit längerem beschlossen. Doch wie es mit den Großprojekten in Deutschland nun mal ist: Während die Dänen schon den Baustart vorbereiten, sind in Deutschland noch nicht einmal alle Umweltschutzklagen geklärt.

Letzte Gelegenheiten zum Fährschiff-Shopping

Für die Passagiere der Eurocity-Züge ist es trotzdem eine der letzten Gelegenheiten zum Shoppen von Spirituosen, Zigaretten und Parfüms während der Fahrt gen Norden. Fahren die Züge erstmal über Flensburg, können nur noch die verbliebenen Fährpassagiere die beliebten Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten an Bord der sechs noch im Dienst stehenden Fährschiffe nutzen.

Wie ich so über diesen Wandel auf der Vogelfluglinie nachdenke, zeigt mir eine rote Boje im Wasser, dass die Hafeneinfahrt von Rodby naht. Auch die Möwen umkreisen wieder stärker das Fährschiff. Immer wieder kreischen sie auf. Als ob sie wissen, dass es mit den Höhen, Tiefen und Weiten der Eisenbahn auf der Vogelfluglinie und der – wie die Fahrt zwischendurch beworben wurde – „schönsten Stunde Richtung Norden“ bald endgültig vorbei ist.